Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit aus internationalen Verflechtungen: institutionalisiertes Monitoring erforderlich

Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit aus internationalen Verflechtungen: institutionalisiertes Monitoring erforderlich

Ahlers, A. L., Schimank, U., & Schreiterer, U. (2023) Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit aus internationalen Verflechtungen: Institutionalisiertes Monitoring erforderlich. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.

Es besteht ein unabweisbarer und dringender Bedarf einer fortlaufenden wissenschaftsnahen Beobachtung, Aufbereitung und Bewertung möglicher Einschränkungen und Gefährdungen der Wissenschaftsfreiheit durch die besonderen Bedingungen und Umstände internationaler Kooperationen: Die Daten- und Informationslage dazu ist derzeit jedoch noch ausgesprochen lückenhaft und unbefriedigend. Gleichzeitig häufen sich Berichte und Klagen über oft leider nur wenig substantiierte Irritationen durch politische Auflagen und Intransparenz in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, untunliche Eingriffe und Spannungen. Wie zutreffend sie sind und ob in internationalen Kooperationen direkt oder indirekt, sozusagen über die Bande gespielt, Wissenschaftsfreiheit in Deutschland tatsächlich tangiert, eingeschränkt oder gar verletzt wird, lässt sich leider auf dem derzeitigen Wissensstand nicht empirisch überprüfen.

Es ist aber ein ureigenes Interesse der Wissenschaft und der Academic Community, hier auf eine rasche Änderung und Selbstaufklärung hinzuwirken. Dafür bedarf es einer neutralen, wissenschaftsgeleiteten Dauerbeobachtung, Aufbereitung und Bewertung der Bedingungen und praktischen Umstände internationaler Kooperationsbeziehungen im Hinblick auf mögliche Folgen und Risiken für die Wissenschaftsfreiheit der beteiligten Akteure. Diese Aufgabe sollte langfristig Sache eines „Observatory“ in Trägerschaft einer multi- oder transnationalen Wissenschaftsorganisation sein und unter verantwortlicher Mitwirkung der Academic Community erfolgen. Dazu bedarf es keinesfalls des Aufbaus neuer, aufwendiger bürokratischer Strukturen; die Andockung einer kleinen und agilen Analyseeinheit an eine vorhandene institutionelle Infrastruktur wäre zu bevorzugen und erscheint aus unserer Sicht auch realistisch. Als Träger des neu zu errichtenden „Observatory“ wäre zunächst eine Wissenschaftsakademie wie die BBAW und idealerweise später ALLEA am besten geeignet, geht es hier doch primär nicht um institutionelle oder politische Interessen, sondern um die Sicherung der Bedingungen der Möglichkeit „guter“ Wissenschaft, um Gefahrenabwehr, Risikobewertung und Zukunftssiche- rung durch Selbstverantwortung in der Wissenschaft.