Ziel des KEF-Forums war ein Erfahrungsaustausch von Ansprechpersonen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung. Dazu stellten Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlicher Forschungseinrichtungen durch die KEFs beratene sicherheitsrelevante Projekte vor und diskutierten Strategien im Umgang mit den sich ergebenen Herausforderungen.
Bei der Einführung zur eintägigen Veranstaltung für die KEFs am DESY in Hamburg erläuterte der Vorsitzende des DESY-Direktoriums, Helmut Dosch, dass das DESY sich in seinen Leitlinien zur Forschung friedlichen Zwecken verpflichtet habe. In den letzten Jahren erführen Forschungskooperationen mit ausländischen Partnern, insbesondere mit China, besondere Aufmerksamkeit. Die DESY-Kommission für Ethik in der Forschung biete Beratung im Spannungsfeld zwischen Wissenschaftsfreiheit, ethischen Werten und Rechtsgütern.
Die Vorsitzenden des GA Herr Lengauer und Frau Siegmund führten weiter in die Themen des Tages ein und stellten erste Ergebnisse der Umfrage des GA vor, die die Aktivitäten der KEFs, insbesondere beratene sicherheitsrelevante Forschungsprojekte in den Jahren 2020/21 erfassen sollte. Weiterhin treten verhältnismäßig wenige sicherheitsrelevante Fälle an den Forschungseinrichtungen auf. Allerdings fehle es vielfach immer noch an entsprechendem Bewusstsein bei Forschenden, um mögliche Risiken zu erkennen und bei Bedarf die zuständige KEF aufzusuchen. Gleichzeitig sollten die KEFs sich proaktiver als Ansprechpartnerinnen für ethische Forschungsfragen präsentieren.
Ein Vertreter des DLR-Instituts zum Schutz maritimer Infrastrukturen stellte die ELSA-Forschung (ELSA = Ethical, Legal and Social Aspects) am DLR vor. Diese sichere zunächst eine integrierte Begleitforschung, erstelle Rechts- und Ethikgutachten und schule bzw. sensibilisiere Mitarbeitende. Außerdem beziehe die ELSA-Forschung frühzeitig relevante Fachgruppen ein. Schließlich sei auch die Methodenentwicklung zur ethischen Begleitforschung geplant, um ethisch gesicherte Kooperationen und interdisziplinäre Vernetzung zu ermöglichen. Themenfelder wie „vertrauenswürdige KI“, Neuroethik, Autonome Systeme, Lernende Systeme, etc. würden hierbei besonders aufgegriffen. Parallel dazu richte das DLR derzeit eine KEF ein. Ethische Begleitforschung werde z.T. auch im Auftrag industrieller Partner gegen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich durchgeführt. Das Beratungs- und Dokumentationsverfahren der geplanten KEF sei bereits entwickelt und das steigende Bewusstsein Forschender sei entscheidend für die Inanspruchnahme der KEF.
Die Vorsitzende der KEF am DESY erläuterte deren Zusammensetzung und einen Leitfaden zur Antragstellung bei der KEF. Neben sicherheitsrelevanten Fällen wurde auch ein Tierversuch am DESY von der KEF beraten. Die KEF frage im Vorfeld stets ab, ob formale und rechtliche Fragen abgeklärt seien. In einem Beratungsfall zum Erwerb forschungsbezogenen Materials von einem Unternehmen mit nicht-ziviler Sparte habe u.a. eine Rolle gespielt, ob das Material auch von einem anderen zivil orientierten Unternehmen erhältlich sei und ob nur ein bestimmtes Gerät benutzt werde. Die KEF habe letztlich empfohlen, sich eine Rechtberatung bezüglich der notwendigen Vertragsklauseln einzuholen. Hauptziele der KEF seien, Forschenden Beratungsangebote zu machen und sie in einer Kultur des Austausches und der Kommunikation für sicherheitsrelevante Fragen zu sensibilisieren.
Vertreter des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) berichteten von der Beratung zu einem Projekt aus der automatisierten Bildauswertung, bei dem bewegte Bilder mithilfe von Blicken und EEG ausgewählt werden sollten. Als Zweck des Projekts wurde die Unterstützung gelähmter Personen genannt. Da die forschende Person auch mit militärischen Lobbyorganisationen in Verbindung steht, blieben bei der Kommission Bedenken, dass die zu erwartenden Forschungsergebnisse auch militärisch, etwa für die Steuerung von Kampfdrohnen, genutzt werden könnten, auch wenn sich das nicht belegen ließ. Die KEF des KIT habe gewünscht, in der Projektmitte über Ergebnisse und Anwendungsbereiche erneut informiert zu werden. In einem weiteren Beratungsfall sollten sichere Cloud-Lösungen für Infrastrukturen erarbeitet werden, indem u.a. mögliche Sicherheitslücken aufdeckt werden. Gleichzeitig erlauben die Ergebnisse denselben Wissenschaftlern in Projekten der Verbrechensbekämpfung, die entdeckten Sicherheitslücken zu nutzen und Personen auszuspähen. Wegen dieses offensichtlichen Dual-Use sei ein hohes Maß an Transparenz und frühzeitige ethische Beratung entscheidend.
Der Vorsitzende der 2021 gegründeten KEF des Forschungszentrums (FZ) Jülich berichtete von einem Projekt zu Wasserstofftechnologien im Bereich der Grundlagenforschung unter Beteiligung eines Industriepartners mit militärischer Tätigkeit. Eine wichtige Frage der KEF war, ob die Technologie auch für mobile militärische Fahrzeuge geeignet sei. Außerdem wurden Fragen der Transparenz und der Publikationen geklärt. Als Konsequenz habe das FZ-Jülich einen Leitfaden zur Selbstbewertung für Forschende entwickelt. Ein Großteil der Abfragen ziele dabei darauf ab, die richtige Ansprechperson zu finden. Zur Frage, ob die Zuordnung eines Projekts zu Grundlagen- oder anwendungsbezogener Forschung für dessen ethische Bewertung entscheidend sei, sei noch zu wenig Erfahrungen vorhanden. Gain-of-Function-Experimente an Viren seien durchaus besorgniserregend sicherheitsrelevant, obwohl sie der Grundlangeforschung zugeordnet werden. Wichtig seien zudem der Austausch mit dem Exportkontrollbeauftragten und der internationalen Abteilung am FZ-Jülich. Auch eine Zivilklausel im Gesellschaftervertrag des FZ-Jülich sei von der KEF geprüft worden.
Frau Ossenkopp vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) berichtete von der Initiative des BAFA zur Exportkontrolle in der akademischen Forschung. Die Wissenschaftsfreiheit entbinde Forschende nicht von den Exportkontrollpflichten. Allein die Missbrauchspotentiale der jeweiligen Forschung seien entscheidend, unabhängig von den hehren Zielen Forschender. Die Exportkontrolle erfahre durch die globale Aufrüstung derzeit an Bedeutung. Das Handbuch des BAFA „Exportkontrolle und Academia“ werde derzeit im Lichte der neuen Dual-Use-Verordnung der EU überarbeitet, um weitere Praxisbeispiele ergänzt und zeitnah veröffentlicht. Außerdem wolle sich das BAFA bei seiner Road-Show vor Ort dem Beratungsbedürfnis der Forschungseinrichtungen und Universitäten stellen. Auf die Frage nach der Differenzierung zwischen materiellem und immateriellem Transfer von Gütern in der Praxis antwortete sie, dass das Sensibilisierungsbedürfnis bei Forschenden, etwa zur Tatsache, dass bereits der Versand von E-Mails eine Ausfuhr von Technologie darstellen könne, weiterhin groß sei. Dies treffe auch für andere EU-Mitgliedsstaaten zu. Daher würden auch auf EU-Ebene entsprechende Sensibilisierungsmaßnahmen durchgeführt.
Frau Timofeev aus der Geschäftsstelle der DFG stellte das mehrstufige Entscheidungsverfahren der an die DFG gestellten Forschungsanträge vor. Bei 20.000 Anträgen im letzten Jahr habe es nur eine Handvoll Forschungsarbeiten gegeben, in denen ein unmittelbares Missbrauchsrisiko geprüft werden musste. Dies sei nicht unmittelbar ein Ablehnungsgrund für DFG-Anträge, sondern es würden Maßnahmen zur Risikominimierung, KEF-Beratungsvoten und die Einschätzung von Gutachtenden explizit abgefragt. Eine Entscheidung für oder gegen die Förderung treffe stets der Hauptausschuss der DFG. Auf die Frage, wie denn risikominimierende Maßnahmen aussehen könnten, erläuterte Frau Timofeev, dass bspw. alternative Forschungsstrategien verfolgt werden oder Veröffentlichungen zu einem späteren Zeitpunkt nach ausführlicher Prüfung von Risiken erfolgen könnten. Im Leitfaden zur Antragsstellung werde angeregt, Exportkontrollfragen selbstständig vorab zu klären, etwa mit den lokalen Exportkontrollbeauftragten oder dem BAFA. Die DFG leiste keine Abklärung dieser Art.
In der Abschlussdiskussion wurde erörtert, ob auch die Forschungsförderung der EU oder des BMBF Ethikvoten einfordere. Im Horizon-Europe-Förderprogramm sei ein „Ethical Self-Assessment“ gefordert, bei BMBF-Projekten sei dies nicht der Fall, allerdings verlange das BMBF eine Selbstverpflichtung zur Befolgung der DFG-Regeln zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis. Derweil würden teilweise bei der Veröffentlichung von Zeitschriften Ethikvoten eingefordert. Das Plenum regte außerdem an, stärkere Abgrenzungsdefinitionen von DURC zur militärischen Forschung zu finden. Statt Druck auf Forschende auszuüben, solle man verstärkt auf Beratung setzen.
Die Einhaltung der ELSA-Prinzipien könne eine wichtige Rolle bei Förderentscheidungen spielen. Außerdem sprachen sich die Konferenzteilnehmenden dafür aus, die Ethik sicherheitsrelevanter Forschung zukünftig in der Lehre und der Ausbildung von Forschung stärker zu verankern. Dazu könne bspw. die Hochschulrektorenkonferenz einbezogen werden.