Bewertung von Forschung und internationalen Kooperationen

Funktion und Rolle der KEFs

Entsprechend den gemeinsamen „Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung“ von Deutscher Forschungsgemeinschaft und Leopoldina sollen Forschungsinstitutionen für den Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung eigene Ethikregeln definieren. Zur Beratung von Angelegenheiten, die sich aus der Umsetzung dieser Ethikregeln ergeben, sollen Kommissionen für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung (KEFs) allen Forschenden beratend zur Verfügung stehen, bei einschlägigen Meinungsverschiedenheiten vermitteln und Empfehlungen zur Durchführung von Forschungsprojekten geben können. Die Befugnisse und Handlungen der Kommissionen müssen mit der Wissenschaftsfreiheit vereinbar sein.

Besorgniserregende sicherheitsrelevante Arbeiten stellen nur seltene Ausnahmen im akademischen Forschungsbetrieb dar. Die KEFs befassen sich z.T. vorrangig mit der Vereinbarkeit von Forschung und verfassungsrechtlichen Grundlagen bzw. der Grundordnung oder den Leitlinien der jeweiligen Forschungseinrichtung und setzen sich mit Fragen auseinander, die die Datensicherheit, die Nachhaltigkeit und die Ausfuhrkontrolle betreffen. Sie bewerten ferner sicherheitsrelevante Risiken im Zusammenhang mit der Forschungsförderung durch Mittel militärisch assoziierter Geldgebender und Risiken, die sich aus einer Kooperation mit militärisch assoziierten Partnerschaften ergeben können.

Leitfragen zur ethischen Bewertung sicherheitsrelevanter Forschung

Die folgenden Leitfragen hat der Gemeinsame Ausschuss auf Grundlage von Rückmeldungen der KEFs zur eigenen Arbeit und öffentlicher Checklisten und Leitfäden zum Umgang mit Forschungsrisiken zusammengetragen. Die jeweiligen Antworten Forschender und der KEFs sowie daraus abgeleitete Konsequenzen für fragliche Arbeiten sollten nach Ansicht des Ausschusses stets Einzelfallbetrachtungen unter den jeweiligen individuellen Rahmenbedingungen vor Ort für Forschung und Lehre sein. Der Ausschuss möchte keine allgemeingültigen Ethikkriterien oder „rote Linien“ vorgeben, sondern mit den Leitfragen in erster Linie helfen, den eigenverantwortlichen Umgang mit sicherheitsrelevanten Forschungsrisiken in den Wissenschaften nachhaltig zu stärken. 

2.1 Welche konkreten Ziele und Zwecke verfolgen Forschende und ggf. die Sponsoren mit dem Forschungsvorhaben?

2.2 Ist die notwendige Fachexpertise vorhanden, um die Forschungsarbeit hinsichtlich potentieller Risiken informiert zu bewerten oder muss weitere Expertise hinzugezogen werden?

2.3 Lassen sich Nutzen und Risiken der bekannten bzw. möglichen Forschungsergebnisse zum jetzigen Kenntnisstand ausreichend konkretisieren und ggf. gegeneinander abwägen?

2.4 Sind sicherheitsrelevante Ergebnisse und resultierende Risiken der Arbeit neuartig oder können sie sich auch auf Basis von bereits veröffentlichten Arbeiten ergeben?

2.5 Wie wahrscheinlich ist es, dass sich die sicherheitsrelevanten Ergebnisse verbreiten und infolgedessen unmittelbar2

ein konkreter Missbrauch im Sinne der o.g. Definition besorgniserregender sicherheitsrelevanter Forschung eintritt?

2.6 Wie groß wäre bei einer absichtlichen missbräuchlichen Verwendung der Ergebnisse durch Dritte das Ausmaß potentiellen Schadens und sind geeignete Gegenmaßnahmen3 verfügbar?

2.7 Welche schädlichen Konsequenzen könnte die Unterlassung4 des Forschungsvorhabens haben?

2 Hier sind etwa die für einen Missbrauch notwendigen Fähigkeiten, Fachwissen und technische Anlagen zu bedenken.

3 Z. B. Maßnahmen der Rückhol- und Rückverfolgbarkeit sowie der Schadenseingrenzung.

4 Kann das Ausbleiben bestimmter Innovationen zusätzliche Schäden etwa im Zuge bereits laufender militärischer Konflikte, im Zuge des Klimawandels und natürlich auftretender Infektionswellen zur Folge haben?

3.1 Kann die Arbeit Wissen, Produkte oder Technologien hervorbringen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit unmittelbar von Dritten zur erheblichen Schädigung der o.g. Rechtsgüter missbraucht werden können?

3.2 Sollte das Projekt in einem fortgeschrittenen Stadium erneut von der KEF bewertet werden, wenn sich sicherheitsrelevante Risiken besser einschätzen lassen?

3.3 Ist die Arbeit bzw. sind deren Ziele und Zwecke mit verfassungsrechtlichen Grundlagen und der Grundordnung bzw. den Leitlinien der Forschungseinrichtung vereinbar?

3.4 Lassen sich sicherheitsrelevante Risiken durch Auflagen an das Projekt (z. B. eine Nutzungsvereinbarung oder alternative Forschungsstrategie) bzw. eine Anpassung der Publikation hinreichend reduzieren?

3.5 Wie lassen sich an der Arbeit beteiligte Forschende für ethische Aspekte sicherheitsrelevanter Forschung sensibilisieren, um unmittelbare und zukünftige Folgen zu bedenken?

Bewertung und Durchführung internationaler Forschungskooperationen

Die internationale Forschungsgemeinschaft und nationalen Behörden führen aufgrund des sich wandelnden geopolitischen Kontextes und nationaler Sicherheitsinteressen intensive Debatten über die Integrität und Sicherheit von Forschung. Ziel soll es sein, weiterhin verantwortungsvolle internationale Forschungskooperationen auch mit Ländern zu ermöglichen, die abweichende Werte und Grundsätze, etwa in Bezug auf Menschenrechte und demokratische Prinzipien, aufweisen.

Forschungsintegrität beinhaltet v. a. die Einhaltung von Objektivität, Ehrlichkeit, Transparenz, Fairness, Rechenschaftspflicht und Verantwortung bei der Anregung, Durchführung, Bewertung und Berichterstattung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten. Sie soll die Grundlage für die Zusammenarbeit in einem fairen, innovativen, offenen und vertrauenswürdigen Forschungsumfeld sein und Vertrauen in die verwendeten Methoden und resultierende Ergebnisse ermöglichen. Auch wenn diese Werte und Grundsätze von Land zu Land unterschiedlich sein können, sind sie der Schlüssel zur Wahrung der akademischen Freiheit als universelles Recht und öffentliches Gut.

Forschungssicherheit beinhaltet v. a. den Schutz von Forschung und Innovation vor Eingriffen durch oder im Namen ausländischer staatlicher Akteure, die die nationale Sicherheit beeinträchtigen und/oder den eigenen Werten und Grundsätzen, einschließlich der Integrität der Forschung, zuwiderlaufen. Unerwünschte Endnutzungen von Forschungsergebnissen und Methodiken umfassen sowohl (verdeckte) militärische Anwendungen, als auch die politische Instrumentalisierung durch staatliche Akteure, Wissenschaftsspionage, die Verletzung geistiger Eigentumsrechte und unethische Anwendungen, etwa solche, die gegen die allgemeinen Menschenrechte verstoßen.

Um die Forschung vor unzulässiger ausländischer Einflussnahme und ungewolltem Wissensabfluss zu schützen, sollen alle Phasen des Forschungsprozesses berücksichtigt werden, von der Entwicklung und Prüfung durch die Förderorganisationen bis hin zum Aufbau verantwortungsvoller Kooperationen und der Durchführung des Projekts und der Verbreitung der Ergebnisse. Dies erfordert auch Anstrengungen von Forschenden, Lehrerenden, Studierenden, Regierungen, großen Forschungsteams und der internationalen Gemeinschaft, um die Forschungsfreiheit sicherzustellen.

Zur Orientierung für Forschende und deren Forschungseinrichtungen gibt es eine Reihe von Leitlinien und Empfehlungen in diesem Kontext, z. B.:

Umgang mit Risiken in internationalen Kooperationen (DFG, 2023)

G7 Best Practices for Secure and Open Research (G7, 2024)

Außenwissenschaftspolitik für eine multipolare Welt – Systemrivalität, Konfrontation und globale Krisen (DAAD, 2022)

Länderspezifische Leitfäden zur Hochschulkooperation des Kompetenzzentrums Internationale Wissenschaftskooperationen (KIWi)

Weitere Papiere

Häufige Fragen rund um sicherheitsrelevante Forschung und die KEFs finden Sie bei unseren FAQs.