Forschungsthemen

Chemische Synthesen und deren Produkte, etwa Wasch- und Düngemittel, Medikamente und Kunststoffe, sind allgegenwärtig und tragen wesentlich zum Wohlstand unserer Gesellschaft bei. Die zugrundeliegende Forschung ist für die nachhaltige Weiterentwicklung chemischer Synthesen und die Erschließung neuer Chemikalien notwendig. Viele der industriell in großem Maßstab genutzten Grundchemikalien können allerdings auch direkt als schädigendes Agens genutzt werden oder die Basis für die mehr oder weniger aufwändige Synthese von chemischen Kampfstoffen sein. Beispielsweise werden jährlich mehr als 60 Millionen Tonnen Chlor für die Aufbereitung von Wasser, die Plastikfertigung und die Herstellung von Arzneimitteln produziert. Chlor kann allerdings auch direkt als Erstickungsgas und somit als Chemiewaffe missbraucht werden.

Aufbauend auf dem Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ) von 1993 legte eine Expertengruppe von Chemikerinnen und Chemikern aus 24 Staaten im Jahr 2015 ethische Leitlinien vor. Diese “Hague Ethical Guidelines“ beziehen sowohl Mitarbeitende aus chemischen Unternehmen als auch den akademischen Bereich ein und rufen dazu auf, verantwortlich mit Risiken umzugehen und Missbrauch zu verhindern. Dafür soll in der Community ein verbessertes Risikobewusstsein geschaffen werden, damit chemische Produkte nicht als Waffen oder deren Vorläuferstoffe verwendet und höchste ethische Standards eingehalten werden.

Künstliche Intelligenz (KI), ein Teilgebiet der Informatik, das sich mit der Erforschung und Entwicklung der Automatisierung von intelligentem Verhalten sowie dem Maschinenlernen befasst, gehört zu den wegweisenden Antriebskräften der Digitalisierung. Die vielfältigen Anwendungspotentiale reichen von virtuellen Gegnern in Computerspielen über die automatisierte Verarbeitung unüberschaubarer komplexer Datenmengen bis hin zu autonom agierenden Robotern oder Fahrzeugen. Diese steuerbaren KI-Systeme bergen auch große Missbrauchspotentiale. So könnten beispielsweise autonome Roboter durch terroristische Gruppen für Attentate zweckentfremdet werden und KI-Algorithmen für automatisierte Desinformationskampagnen oder das automatisierte Hacken von Computern missbraucht werden. Eine Projektgruppe Forschender der Universitäten Standford, Yale, Oxford und Tohoku sowie Entwickler von Microsoft und Google veröffentlichte 2018 den Report „The Malicious Use of Artificial Intelligence: Forecasting, Prevention, and Mitigation“, der auf konkrete Missbrauchsrisiken von schon vorhandener bzw. zeitnahe verfügbarer KI hinweist. In zwei offenen Briefen sprachen sich eine Reihe von Forschenden aus den Bereichen KI und Robotik für eine soziale und wohltätige Nutzung ihrer Entwicklungen aus und warnten vor einem Wettrüsten autonomer Waffensysteme. Der Gemeinsame Ausschuss veranstaltete im Oktober 2017 einen Workshop zum Thema „Freiheit und Verantwortung in den IT-Wissenschaften“, der sicherheitsrelevante Aspekte der KI-Forschung beleuchtete.

Die Lebenswissenschaften haben unser Leben zweifellos auf allen Ebenen verbessert. So hat die molekulargenetische Forschung etwa die Medikamentenentwicklung und die Produktion von essentiellen Nahrungsergänzungsstoffen sowie weiteren biologischen Wertstoffen revolutioniert. Infektionskrankheiten werden durch die Forschung an Krankheitserregern in der Regel gut verstanden und haben aufgrund der Entdeckung von Antibiotika und Impfstoffen einen großen Teil ihres früheren Schreckens verloren. Die Kritiker dieser Pathogenforschung befürchten jedoch, dass die in den Experimenten verwendeten bzw. erzeugten Krankheitserreger durch fahrlässiges Handeln aus den Hochsicherheitslaboratorien in die Umwelt gelangen und weiteren Schaden anrichten könnten. Diesen Risiken tragen zahlreiche Regularien Rechnung, deren Ziel es ist, eine optimale biologische Sicherheit (Biosafety) zu gewährleisten. Ein weiteres Gefahrenpotenzial wird darin gesehen, dass das durch entsprechende Publikationen in die Welt gesetzte Wissen auch zur Herstellung biologischer Waffen und für bioterroristische Anschläge missbraucht werden könnte. Im Zusammenhang dieser als Biosecurity bezeichneten Problematik sind in den letzten Jahren immer wieder gain-of-function-Experimente zur Übertragbarkeit von hochpathogenen Influenzaviren, sogenannte Vogelgrippeviren vom Typ H5N1, in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Weiterhin werden Missbrauchspotentiale der Forschung zu Gene Drives – genetische Konstrukte, die sich besonders effizient in sich Wildtierpopulationen ausbreiten sollen –  international viel diskutiert.

Sicherheitsrelevante Forschungsrisiken bestehen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, in fast allen Disziplinen. Letztlich könnten sogar auch die Geistes-, Kultur-, Sozial- und Verhaltenswissenschaften sicherheitsrelevante Ergebnisse hervorbringen. So können umfassende wissenschaftliche Datenbanken zu wertvollen Kulturschätzen Hinweise für Grabräuber und andere Kriminelle liefern. Sozialpsychologische Forschungen, etwa im Social-Media-Bereich, könnten für die Manipulation von Personengruppen und Repression herangezogen werden. Linguistische Forschungen an Spracherkennungssystemen sind unter Umständen für die missbräuchliche Kommunikationsüberwachung einsetzbar. Selbst die Ergebnisse der Friedens- und Konfliktforschung kann missbraucht werden, etwa wenn Radikalisierungs- und Diskriminierungsprozesse wissenschaftlich analysiert und aufbereitet sind.