Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung (2022): Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung

Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung (2022): Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung

Deutsche Forschungsgemeinschaft, & Nationale Akademie der Wisschenschaften Leopoldina (Hrsg.) (2022) Wissenschaftsfreiheit und Wissenschaftsverantwortung: Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung (S. 52).

Die 2014 erstmals veröffentlichten und nun durch den Gemeinsamen Ausschuss zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung von Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) und Nationaler Akademie der Wissenschaften Leopoldina aktualisierten Empfehlungen dienen als Richtschnur für den Umgang mit möglichen Risiken, bieten Hilfestellung bei der Lösung ethischer Fragen und tragen damit zur Standardsetzung sowie Selbstverpflichtung der Wissenschaften im Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung bei.

Aspekte sicherheitsrelevanter Forschung und daran anknüpfende ethische Fragen rücken vermehrt in den Fokus, unter anderem durch Fortschritte bei der Forschung zu Künstlicher Intelligenz und zu pandemischen Erregern sowie durch wissenschaftliche Verflechtungen mit Staaten, in denen Menschenrechtsverletzungen und andere Verletzungen rechtsstaatlicher Prinzipien beobachtet werden. Beim Abwägen von Nutzen und Risiken von Forschungsprojekten und -kooperationen ist in erhöhtem Maße Eigenverantwortung im Rahmen der verfassungsrechtlich gewährten Wissenschaftsfreiheit gefragt.

Die DFG und die Leopoldina appellieren an Forschende, sich nicht mit der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen zu begnügen. Denn Forschende haben aufgrund ihres Wissens, ihrer Erfahrung und ihrer Freiheit eine besondere ethische Verantwortung, die über die rechtliche Verpflichtung hinausgeht. Darüber hinaus sollen Forschungsinstitutionen die Rahmenbedingungen für ethisch verantwortbare Forschung schaffen. Große Bedeutung haben dabei die Instrumente der Selbstregulierung der Wissenschaft. Sie basieren auf besonderer Sachnähe und können flexibel reagieren.

Die Empfehlungen wenden sich in ihrem ersten Teil an einzelne Forschende. Ihnen muss die Gefahr des Missbrauchs von Forschung bewusst sein. In kritischen Fällen müssen sie aufgrund ihres Wissens und ihrer Erfahrung eine persönliche Entscheidung über das bei ihrer Forschung Verantwortbare treffen. Dabei sind die Chancen der Forschung und deren Risiken für Menschenwürde, Leben und andere wichtige Güter gegeneinander abzuwägen. Die Empfehlungen konkretisieren diese Abwägung im Hinblick auf die erforderliche Risikoanalyse, die Maßnahmen der Risikominderung, die Prüfung der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen sowie den Verzicht auf Forschung als letztes Mittel. Primäres Ziel ist dabei die verantwortliche Durchführung und Kommunikation der Forschung. Im Einzelfall kann eine verantwortungsbewusste Entscheidung Forschender sogar bedeuten, dass ein hochrisikoreiches Projekt nur nach einem Forschungsmoratorium oder gar nicht durchgeführt wird.

Der zweite Teil der Empfehlungen wendet sich an die Forschungsinstitutionen. Diese sollen ihren Mitarbeitenden das Problembewusstsein und die notwendigen Kenntnisse über die rechtlichen Grenzen der Forschung vermitteln und entsprechende Schulungsmaßnahmen unterstützen. Forschungsinstitutionen sollen über die Einhaltung gesetzlicher Regelungen hinaus Ethikregeln für den Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung entwickeln. Zur Umsetzung dieser Regeln und zur Beratung der Wissenschaftler sollen sie jeweils eine spezielle Kommission für Ethik sicherheitsrelevanter Forschung (KEF) einrichten. Inzwischen haben mehr als 120 Forschungseinrichtungen und -organisationen in Deutschland, den Empfehlungen folgend, entsprechende Kommissionen und Beauftragte etabliert.